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Institut für Organische Chemie

Wie entstanden die ersten Viren?

16.06.2023

Hierauf gab Donald Hilvert in der Siegfried-Hünig-Vorlesung 2023 eine plausible Antwort mit faszinierenden Experimenten zur gelenkten Evolution im Labor.

Prof. Donald Hilvert mit Prof. Claudia Höbartner (Foto: C. Stadler)
Prof. Donald Hilvert mit Prof. Claudia Höbartner (Foto: C. Stadler)

Anders als vom Auditorium bei dieser jährlichen Festveranstaltung gewohnt, kam Professor Hilvert in seinem Vortrag fast vollständig ohne chemische Strukturformeln und Reaktionsgleichungen aus. Denn die Synthese der beindruckend großen und dank ihrer Symmetrie sehr ästhetischen Käfigmoleküle erfolgt biochemisch durch ein Enzym Namens Lumazin-Synthase in E. coli-Kulturen.

Evolution im Labor

In Hilverts Labor brachte man dieses Enzym durch geeignete Modifikation dazu, Proteinkäfige, so genannte Nukleokapside zu bilden, die in ihrem Inneren ihren eigenen mRNA-Code einschließen und so vor äußeren Einflüssen schützen, letztlich also vergleichbar aufgebaut sind wie die meisten Viren. Allerdings bedarf es erst eines mehrstufigen Selektionsprozesses, bis durch Mutationen im genetischen Code und damit in der Proteinstruktur, ein hoher Grad an Stabilität dieser Virus ähnlichen Strukturen erreicht wird. Das Auditorium durfte einige dieser Strukturen in Form von Modellen aus dem 3D-Drucker aus nächster Nähe betrachten und „begreifen“.

Erkenntnisse und Anwendungen

Hilverts Ergebnisse stützen die Theorie, dass die ersten natürlichen Viren aus RNA- oder DNA-Molekülen von Wirtszellen entstanden sind, indem sie die Fähigkeit erworben haben, sich unabhängig vom Genom der Wirtszelle oder deren RNA zu vermehren. Hierzu müssen Sie sich allerdings parasitär verhalten und die biochemische Maschinerie ihrer Wirtszelle nutzen.
Mögliche Anwendungen der Kapside als nicht-virale Transportmoleküle sind bei Impfstoffen und Medikamenten denkbar und besonders naheliegend bei mRNA-Impfstoffen.

Donald Hilvert

Donald Hilvert ist seit 1997 Professor am Laboratorium für Organische Chemie der ETH Zürich, nach Stationen in New York (Columbia University und Rockefeller University) und am Scripps Research Institute in Kalifornien. In seiner Forschung nutzt er die Werkzeuge der chemischen Biologie, um Proteine zu untersuchen und zu modifizieren, darunter Designerenzyme mit maßgeschneiderten katalytischen Aktivitäten und molekulare Behälter aus selbstorganisierenden Proteinen mit potenziellen Anwendungen in Biologie und Medizin.

Professor Hilverts herausragende Forschung wurde mit einer Reihe von Preisen gewürdigt, darunter der Arthur C. Cope Scholar Award der ACS, der Pfizer Award in Enzyme Chemistry, der Emil Thomas Kaiser Award der Protein Society und der Ronald Breslow Award for Achievements in Biomimetic Chemistry. Er erhielt die Ehrendoktorwürde der Universität Uppsala und ist gewähltes Mitglied der American Academy of Arts and Sciences.

Siegfried Hünig

Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Siegfried Hünig war ein visionärer Chemiker, nach dem nicht nur die weltweit bekannte Hünig-Base benannt wurde, sondern der auf mehreren Themengebieten der physikalisch-organischen Chemie entscheidende erste Impulse setzte und überdies als leidenschaftlicher Hochschullehrer und Institutsdirektor prägend war für die Entwicklung der chemischen Institute in Würzburg in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Zu seinen Ehren wurde im Jahre 2011 anlässlich seines 90. Geburtstags die Siegfried-Hünig-Vorlesung ins Leben gerufen. Im Rahmen dieser Namensvorlesung wird einmal jährlich ein international renommierter Chemiker zum Vortrag nach Würzburg eingeladen. Prof. Hünig konnte bis ins Jahr 2018, im Alter von 97 Jahren, noch selbst an der Veranstaltung teilnehmen und tat dies mit großem Vergnügen. Im Jahr 2021 verstarb er wenige Tage vor seinem 100. Geburtstag und vor der Aufnahme in die Rubrik „Heroes of Chemistry“ der Zeitschrift Angewandte Chemie.

Von C. Stadler

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