Intern
Fakultät für Chemie und Pharmazie

Forscher sagen Düfte vorher

06.06.2007

Ein Parfümeur will einen neuen Geruch kreieren. Er steht vor Flakons mit wertvollen Essenzen, mischt sie, prüft den Duft, verändert die Mixtur, bis er das ideale Endprodukt gefunden hat. Nun ja, diese Szenerie taugt eher für Historienfilme. In der Realität läuft die professionelle Suche nach neuen Riechstoffen im Labor ab. Dabei stellen sich die Forscher unter anderem der Herausforderung, den Geruch von Molekülen vorhersagen zu wollen. Ein ehrgeiziges Ansinnen, läuft doch der Riechvorgang sehr komplex ab. Über erfolgreiche Gehversuche auf diesem schwierigen Gebiet berichten jetzt dennoch Wissenschaftler in der Zeitschrift „Angewandte Chemie“.

Dem Duft von Maiglöckchen folgen auch menschliche Spermien. Foto: Pixelio.de

Wenn dem Menschen ein bestimmter Duft in die Nase steigt, dann starten in seinem Riechorgan komplizierte Prozesse. Vereinfacht gesagt, setzen sich die Geruchsmoleküle an Rezeptoren fest, die daraufhin Nervensignale in Richtung Gehirn abfeuern. Dort wird die Botschaft verarbeitet und der Mensch erkennt: „Ah, hier riecht es nach Rosen!“ oder „Pfui, das stinkt nach Stallmist!“

In der Nase befinden sich rund 350 verschiedene Sorten von Riechstoff-Rezeptoren. Ob sie nun auf Rosenduft anspringen oder auf eher unangenehme Ausdünstungen, hängt auch von der äußeren Gestalt der Duftmoleküle ab. Denn die Rezeptoren verfügen über speziell modellierte, gut abgegrenzte Bereiche, an denen jeweils nur entsprechend geformte Moleküle andocken und den Riechprozess in Gang setzen können.

Wissenschaftler von den Universitäten Würzburg und Bochum wollten nun zusammen mit Forschern der Givaudan Schweiz AG, dem weltweit größten Riechstoffkonzern, Folgendes herausfinden: Wenn die Strukturen des Rezeptors und neu synthetisierter Duftstoffe bekannt sind – lassen sich dann mit Hilfe der Molekülmodelle am Computer Dufteigenschaften vorhersagen?

Um diese Frage zu beantworten, nutzten die Forscher unter anderem das „Riechvermögen“ von Samenzellen aus. Das Bochumer Team von Professor Hanns Hatt hatte nämlich vor wenigen Jahren entdeckt, dass die Spermien des Menschen sich entlang einer Duftspur der synthetischen Maiglöckchen-Duftstoffe Lilial und Bourgeonal orientieren können; die Spermien besitzen dafür einen eigenen Riechrezeptor. Der ist übrigens mit dem in der Nase des Menschen identisch.

Die Forscher ersetzten nun in den beiden Duftstoffen jeweils ein Kohlenstoff-Atom durch ein Silicium-Atom. Dieser Tausch ist machbar, weil die beiden Elemente sich sehr ähnlich sind. Durchgeführt wurde er in den Labors von Reinhold Tacke. Der Würzburger Professor ist ein Spezialist für die Chemie des Siliciums und verfügt in Sachen Kohlenstoff-Silicium-Tausch über langjährige Erfahrung – vor allem im Bereich pharmazeutischer Wirkstoffe.

Prof. Dr. Reinhold Tacke

Seinen Angaben zufolge blieb die äußere Form der beiden Moleküle durch den Atomtausch so gut wie unverändert. Mit ihren Computermodellierungen kamen die Forscher dann zur Einschätzung, dass der Maiglöckchen-Duft der beiden Silicium-Analoga seinen Hauptcharakter behalten müsste. Abweichungen hielten sie nur bei den begleitenden Nuancen für denkbar. Außerdem sagten sie voraus, dass die Geruchsschwelle etwas höher sein müsste – dabei handelt es sich um die Duftstoff-Konzentration, die gerade noch wahrgenommen werden kann. Der neue Geruch sollte also etwas schwerer zu riechen sein.

In allen Punkten lagen die Wissenschaftler richtig: Die Spermien sprangen auch auf die siliciumhaltigen Maiglöckchen-Moleküle an. Sie bemerkten deren Duft – wie vorhergesagt – bei etwas höheren Konzentrationen. Gefragt waren dann aber auch die Sinne des Menschen: Die Givaudan-Forscher um Philip Kraft bestätigten die Beibehaltung des Hauptcharakters, des „typisch blumig-aldehydigen Maiglöckchen-Duftes“, und auch die Abweichung in den Begleitnuancen. So attestierten sie dem Silicium-Analogon von Lilial eine „etwas rosigere Tonalität und eine weniger frische, spritzige und wässrige“ Note als dem Lilial selbst.

Die Experimente brachten zudem Klarheit in einer anderen Sache: Vor etwa zehn Jahren hatte der Duftforscher Luca Turin in den USA die Theorie aufgestellt, dass nicht die Gestalt, sondern die Schwingungseigenschaften für den Geruch eines Moleküls verantwortlich seien. Das scheint aber so nicht zu stimmen. „Weil ein Silicium-Atom mehr als doppelt so schwer ist wie ein Kohlenstoff-Atom, sollten sich durch den Tausch die Schwingungseigenschaften der Maiglöckchen-Duftmoleküle deutlich verändern“, erklärt Tacke. Sollte Luca Turin im Recht sein, hätten sich also die Geruchseigenschaften durch den Atomtausch ändern müssen. „Wir sind ziemlich sicher, dass der Duft nicht von Schwingungen, sondern durch die elektronischen Oberflächeneigenschaften eines Moleküls bestimmt wird“, sagen Tacke und seine Kooperationspartner. Nun seien weitere Untersuchungen mit anderen Rezeptoren und anderen Riechstoffen nötig, um das Ergebnis zu untermauern.

Ob sich mit diesem Wissen in Zukunft gezielt neue Riechstoffe designen lassen, bleibt aber fraglich. Zum einen müssten die Forscher hierfür möglichst alle 350 Riechstoff-Rezeptoren des Menschen genau charakterisieren. Und zum anderen ist da nach wie vor das Problem des komplexen Riechvorgangs – so kann zum Beispiel ein einzelner Riechstoff viele verschiedene Rezeptoren unterschiedlich stark aktivieren. Darum müssen die modernen Duft-Designer wohl noch für längere Zeit ihrer derzeitigen Strategie folgen: Statt Geruchsmoleküle zu kreieren, die genau in bestimmte Rezeptoren passen, werden sie weiterhin bekannte Düfte als Vorbild nehmen und Moleküle synthetisieren, die von der Struktur her ähnlich aussehen. Aber die Zukunft des gezielten Riechstoff-Designs hat begonnen.

Weitere Informationen: Prof. Dr. Reinhold Tacke, T (0931) 888-5250, r.tacke@mail.uni-wuerzburg.de

„Duftvorhersage: das Computermodell des hOR17-4-Rezeptors auf dem Prüfstand mit Silicium-Analoga von Bourgeonal und Lilial“, Leszek Doszczak, Philip Kraft, Hans-Peter Weber, Rüdiger Bertermann, Annika Triller, Hanns Hatt und Reinhold Tacke, Angewandte Chemie 2007-46/18, zweite Mai-Ausgabe, DOI 10.1002/ange.200605002

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